Pressemitteilung zur JVA Burg

LANGE VERSION —————————

Hiermit wenden sich Gefangene der JVA Burg an die Öffentlichkeit, um auf Zustände aufmerksam zu machen, die einem vernünftigen, der Resozialisierung verpflichteten Strafvollzug und gültigem Recht widersprechen, sowie aus veralteten Justizvollzugsgesetzen oder Widersprüchen des Justizvollzugs generell resultieren. Die Fragen eines humanen und resozialisierenden Vollzugs sollen so von den uneinsehbaren Schreibtischen und Korridoren der juristischen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Gefangenen und damit betrauten Gerichten in die Öffentlichkeit gelangen, um Unterstützung der Anliegen geworben und eine kritische Debatte um den Justizvollzug in Sachsen-Anhalt angestoßen werden.

Tötung beim Langzeitbesuch: Symptom tieferer Probleme
Nun macht die JVA Burg ohnehin regelmäßig Schlagzeilen, sei es beim Ausbruchsversuch des Halle-Attentäters, unter Gefangenen kursierende taktische Pläne der Anstalt oder zuletzt die – auch für viele Gefangene schockierende – Tötung einer Angehörigen namens Franziska durch einen Gefangenen während des Langzeitbesuchs. Als Reaktion darauf strich die Anstaltsleitung sämtliche Langzeitbesuche für 2025, ab Juli werden diese verkürzt und in einem normalen Besuchszimmer stattfinden. Die Familie der getöteten Frau kritisierte die Durchführung der Langzeitbesuche ohne Überwachung, Medien verwiesen reflexartig auf Sicherheitsmängel der JVA generell, welche durch die zu Beginn genannten Vorfälle schon einen schlechten Ruf in punkto Sicherheit habe.
Dass die Angehörigen angesichts ihres Verlustes die Sicherheit in Frage stellen und Kontrolle mehr Gewicht beimessen als der für Langzeitbesuche üblicherweise vorgesehene Privatsphäre, ist absolut verständlich. Anstaltsleitung und Medien sollten jedoch ein solches Ereignis nicht auf die technische Frage der Sicherheit reduzieren. Gefangene kommen andere Fragen in den Sinn: Warum hatte ein Häftling, der gerade wegen Konsum von Spice ein Disziplinarverfahren laufen hatte Langzeitbesuch, während andere Langzeitgefangene, insbesondere Arbeiter, vergeblich auf Langzeitbesuche oder Lockerungen warten müssen? Wie konnte der offenkundige körperliche Verfall des Täters ungehindert vonstatten gehen? Was läuft schief im ‚resozialisierenden‘ Vollzug wenn ein Gefangener zum Mörder wird? Warum wurden die durch Aktivistinnen angebrachte Gedenktafel und die Blumen entfernt? Wieso wurde es Gefangenen untersagt eine Gedenkstunde für die getötete Frau zu organisieren? Welche Konsequenzen zieht die Leitung, außer der Reduzierung des Langzeitbesuchs und Verlegung des Täters in eine andere Anstalt?
Natürlich: unmittelbar verantwortlich für den Tod der Frau ist der Mann, der sie umgebracht hat. Der Fall ist aber auch Ausdruck eines Vollzugsversagens.

Repression statt Prävention: Der Umgang mit Drogen und Kommunikation
Die Beschränkung in der Betrachtung negativer Phänomene des Justizvollzugs, sei es Gewalt oder Drogenkonsum, auf sicherheitstechnische Aspekte hat in der JVA Burg System, ebenso wie fehlende Transparenz und Gerechtigkeit in der Gestaltung des Vollzugs und Gewährung von Lockerungen. Der Unterschied zu anderen Bundesländern ist frappierend.
Als Reaktion auf einen verbreiteten Konsum von Cannabis und schlimmeren, künstlichen Cannabinoiden, auch Spice genannt, stellt die Anstalt sämtliche Häftlinge unter Generalverdacht und Kollektivstrafe. Der Kauf von Kräutertees im Gefangeneneinkauf wurde vollständig untersagt, weil einzelne Gefangene ihr Cannabis in Teebeuteln versteckt hatten. Dabei ist gerade Kräutertee elementar für eine grundsätzliche Gesundheitsfürsorge der Gefangenen.
Besonders einschneidend ist jedoch die seit Oktober 2024 geltende Verfügung, sämtliche Post der Gefangenen – mit Ausnahme der Verteidigerpost etc. – nur noch in Kopie herauszugeben und die Originale bis Ende der Haft einzubehalten. Da im Rahmen der Kopie, Lagerung, Ausgabe und Verteilung in die Kammer so eine Vielzahl von Personen Gelegenheit hat Briefe von Gefangenen zu lesen und Fotos zu betrachten, ist somit das im Grundgesetz festgehaltene Briefgeheimnis der Gefangenen wie auch der Kommunikationspartner verletzt. Es gibt bereits Fälle von Angehörigen, die aufgrund dieser Umstände keine Fotos senden möchten. Offensichtlich sind Kopien qualitativ minderwertiger als originale Briefe – insbesondere wenn es um nahe Angehörige, Freunde oder Partnerinnen geht. Besonders Fotos sind deutlich schlechter, zumal es unmöglich ist auf Fotopapier Spice aufzutragen, da dieses nicht saugfähig ist. Trotz zahlreichen Klagen und Beschwerden wird die Maßnahme ohne jegliche Unterscheidung von Gefangenen durchgeführt und immer wieder gerät selbst von Gerichten, Staatsanwaltschaft, Ämtern oder Verteidigern übersandte Post in die Kopie. Diese Maßnahme ist unverhältnismäßig, auch hinsichtlich des hohen Arbeitsaufwands und sollte sich nicht pauschal gegen alle Gefangenen richten.

Ein Strafvollzug auf Sparflamme
Das Problem des Drogenkonsums lässt sich zudem nicht auf die Frage reduzieren, wie der Stoff in den Knast kommt. Es wäre naiv zu glauben, dass jeder Drogenkonsument durch eine bessere Gestaltung des Vollzugs die Sucht hinter sich lassen würde, aber nicht einmal zu versuchen, den Vollzugsalltag zu gestalten, der sich auch nüchtern ertragen lässt, ist falsch. Genau diese Anspruchslosigkeit wird in der JVA Burg beobachtet, in Form einen „Minimalvollzugs“ und rein repressiven Reaktionen auf Probleme.
Mit „Minimalvollzug“ ist gemeint, dass das Programm der JVA von Besuchen bis hin zu anderen Angeboten während der Covid-Pandemi massiv eingestampft und später nicht wieder aufgebaut wurde. Der U-Haft-Bereich wurde erst später in die Anstalt eingeführt und dementsprechend was die Angebote angeht vernachlässigt. Zwar gibt es im Vergleich zu anderen Anstalten relativ kulante Aufschlusszeiten von zwei bis drei Stunden am Nachmittag, dies wird jedoch durch verschiedenen Faktoren unterminiert.
Unter anderem durch die einfache Tatsache, dass der Personalstand regelmäßig unter den für Aufschluss vorgesehene Mindestbesetzung fällt und dann die Türen komplett zu bleiben. Personalmangel ist jedoch kein Grund den Aufschluss ersatzlos zu streichen, insbesondere wenn bereits vorher klar ist, dass er besteht. Aufschluss könnte dann zu Zeiten mit voller Besetzung verschoben werden oder immerhin Umschluss gewährt werden. Die Tage an denen noch um 11 Uhr nicht klar ist, ob die Schicht um 14 Uhr ausreichen besetzt ist, zeugen von Organisationsversagen.
Während es in den meisten Anstalten Deutschlands die Möglichkeit gibt, im Haftraum zu telefonieren, müssen in Burg sämtliche Telefonate – auch Verteidigergespräche – an den Flurtelefonen geführt werden, von denen sich zwei Flügel a 15 Personen eins teilen. Die daraus resultierenden Telefonzeiten von zehn Minuten täglich mit fehlender Privatsphäre sowie Einschränkung auf wenige Stunden am Tag behindern die Pflege sozialer Beziehungen immens.
Das Sportangebot der Anstalt reduziert sich auf ein (U-Haft) bis zwei (Strafhaft) Stunden die Woche. Wären die Höfe oder Freizeiträume besser ausgestattet, ließe sich das ausgleichen. Die Höfe verfügen jedoch nicht einmal über die wohl in jeder Anstalt üblichen Klimmzugstangen. Auch sonstige Angebote sind auf das absolute Minimum reduziert. U-Häftlinge sind weitgehend auf sich allein gestellt.

Resozialisierung? Fehlanzeige.
Möglichkeiten zur Arbeit oder Fortbildung werden in der U-Haft vermisst, besonders Gefangene, die §119 unterliegen, haben keine Chance. Strafgefangene, die arbeiten, berichten von Mangel an Material, beispielsweise für die Reinigung. Die Löhne liegen weit unter dem durch ein Urteil des Bundesverfassungsgericht festgelegten Sätzen, darin vorgeschriebene Leistungen werden vorenthalten.
Selbst im Kerngeschäft des Justizvollzug, der ‚Resozialisierung‘ in Form von Maßnahmen, setzt sich dieser Hang zum Minimalprogramm fort. Formate wie Anti-Gewalt-Training, Sozialtherapie und Deliktaufarbeitung werden so eingestampft, dass nur wenige Gefangene die Vorrausetzung für 2/3-Entlassung erfüllen und – was für die Öffentlichkeit relevanter sein dürfte – an ihren Verhaltensweisen arbeiten konnten, was die Gefahr der Rückfälligkeit erhöht. Er nach zwei Jahren dauerndem Druck durch die Gefangeneninteressenvertretung wurde das Angebot unlängst wieder aufgestockt. Eine Entlassungsvorbereitung – wie in anderen Bundesländern – findet jedoch immer noch nicht statt. Eine reine Absitz-Haft ist die Folge. Perspektivlosigkeit, Beschäftigungsmangel und Frust dürften ihren Anteil an Drogenkonsum und Aggression haben, mit der die Stationsbeamten täglich konfrontiert werden und deren Konsequenzen alle Gefangenen sowie Angehörigen ausbaden müssen.
Darüberhinaus werden Gefangenen Lockerungen oder Angebote vorenthalten beziehungsweise der Entzug angedroht, wenn diese sich rechtlich für Verbesserungen einsetzen. Die in Anspruchnahme des Beschwerderechts wird als Störfaktor sanktioniert, statt dies als Teil staatsbürgerlichen Subjektivität zu sehen, die ein Teil dessen ausmacht, was Resozialisierung bedeutet. Besonders schwer wiegt es, wenn Psychologen, welche über die Empfehlung von Lockerungen entscheiden, Richtlinien vorgegeben werden, diese möglichst nicht auszusprechen. Soziale Bindungen der Gefangenen werden so langfristig zerstört, ebenso wie Perspektiven auf ein Leben nach der Haft. Auch die Angehörigen leiden darunter, vor allem Schulkinder, denen es aufgrund der Besuchszeiten unmöglich ist, ihre Väter zu besuchen. Auch Lohnabhängige haben Schwierigkeiten diese Besuche wahrzunehmen. Das ist besonders zynisch angesichts der Behauptung der JVA, der Schutz der Häftlinge vor psychische Gewalt sei ihr besonders wichtig. All das Beschriebene weist auf das Gegenteil hin, nämlich dass die Gesundheit der Gefangenen unter ganzheitlicher Betrachtung – also sozial, emotional, körperlich, psychisch – der Leitung eben nicht wichtig ist.

Medizinische Versorgung: Ein Fallbeispiel
Folgende Anekdote verweist auf das zerrüttete Verhältnis von Gefangenen zum medizinischen und psychologischen Dienst der Anstalt: Ein Gefangener, der bisher nicht durch Aggression aufgefallen war, wurde nach geäußerten Klagen über Erkältungssymptomen und Wunsch nach Ruhe in ein sogenanntes besonders gesicherten Haftraum mit Kameraüberwachung ohne seine Sachen gesperrt – isoliert von anderen Gefangenen und ohne Möglichkeit sich Essen zuzubereiten, obwohl er aufgrund des Ramadans fastete. Infolge von Nahrung- und Wasserentzug verlangte er einen Arzt, das Personal machte sich über ihn lustig, weil er gefastet hatte. Gegenüber Gefangenen, die ihm Essen zukommen lassen wollten, gab ein Beamter an, er sei selbst Schuld, da er Suizidgedanken geäußert habe, was nicht stimmte und ohnehin einen Bruch der Schweigepflicht darstellt. Erst durch den Verzicht auf eine Behandlung der Kopfschmerzen konnte er die Isolation verlassen.
Der Zusammenhang ist ein Rätsel, das gesamte Geschehen stellt einen Vorfall dar, der an Verhältnismäßigkeit zweifeln lässt. Laut dem psychischen Dienst habe es sich um ein Missverständnis gehandelt. So werden Krisenfälle hausgemacht und das ohnehin schwache Vertrauen in das medizinische Personal zerstört. Ohnehin bedeutet es oft ein Sisyphusarbeit, sich mit Beschwerden an die entsprechenden Stellen zu wenden. Diagnosen und Behandlungen werden hinausgezögert und im Krankenhaus verschiedene Medikamente eigenständig ersetzt. Immer wieder entsteht der Eindruck, dass gesundheitliche Interessen gegen den medizinischen Dienst durchgesetzt werden müssen.

Unsere Forderungen
Es liegt nahe, dass die Behebung der dargestellten Missstände trotz des damit verbundenen finanziellen und organisatorischen Aufwands letztlich allen Beteiligten und Betroffenen des Justizvollzugs zu Gute kommt. Gefangene, die den frustrierenden Alltag wenig oder gar nicht in Drogenkonsum und Aggressionen entfliehen suchen, ausgelastet und beschäftigt sind und somit den Beamten weniger Stress machen, familiäre Bindungen, die gepflegt, berufliche Perspektiven, die aufgebaut werden – kurz: die Stärkung von Faktoren, die eine Senkung der Rückfälligkeit begünstigen, sind im Interesse der ganzen Gesellschaft.
Wir fordern daher eine umfassende Aufklärung der Tötung von Franziska im April, insbesondere im Hinblick auf den Vollzug, sowie die Einführung von Maßnahmen, die über Sicherheitsbeschränkungen hinausgehen. Dazu gehören sinnvolle Präventionsstrategien und gezielte Suchthilfe, das Ende der pauschalen Postzensur, das Abschaffen der ersatzlosen Generaleinschlüsse, der Wiederaufbau von Sport- und Freizeitangeboten sowie die Bereitstellung von Seelsorge, auch für Insassen in Untersuchungshaft. Zudem fordern wir die Einführung von Haftraumtelefonie und eine gerechte Vergabe von Lockerungen.

Gefangene der JVA Burg
Juli 2025

KURZE VERSION —————————

Kurzzusammenfassung der Pressemitteilung zur JVA Burg
Juli 2025

Gefangene der JVA Burg wenden sich in einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit, um auf die unzureichenden Bedingungen im Strafvollzug hinzuweisen, die sowohl der Resozialisierung der Insassen als auch den Grundsätzen des geltenden Rechts widersprechen. Die Gefangenen kritisieren insbesondere die Missstände im Umgang mit Drogenkonsum, die mangelhafte Resozialisierung und die unzureichende medizinische und psychologische Betreuung.

Ein zentrales Thema ist der Vorfall im April, bei dem ein Gefangener während eines Langzeitbesuchs eine Angehörige namens Franziska tötete. Die Gefangenen fordern eine gründliche Aufklärung dieses Falls, der ihrer Ansicht nach ein Zeichen für ein generelles Versagen des Strafvollzugs darstellt. Sie kritisieren, dass die Anstaltsleitung in Reaktion auf den Vorfall die Langzeitbesuche für 2025 gestrichen und weitere strikte Sicherheitsmaßnahmen eingeführt hat, ohne die zugrunde liegenden systemischen Probleme zu adressieren. Besondere Aufmerksamkeit gilt auch den Fragen der ungleichen Behandlung von Gefangenen hinsichtlich Langzeitbesuchen und Lockerungen.

Zusätzlich wird die seit Oktober 2024 geltende Praxis kritisiert, sämtliche Gefangenenpost nur noch in Kopie herauszugeben, was das Briefgeheimnis und die Privatsphäre der Gefangenen verletzt. Weitere Probleme wie Personalmangel, unzureichende Freizeit- und Sportangebote sowie die unzureichende medizinische Versorgung werden ebenfalls angesprochen. Ein Gefangener schildert einen Vorfall, bei dem er aufgrund einer medizinischen Beschwerde ohne adäquate Behandlung und in Isolation untergebracht wurde, was das ohnehin geringe Vertrauen in die medizinische Betreuung weiter untergräbt.

Die Gefangenen fordern die Einführung von umfassenden Maßnahmen zur Verbesserung der Haftbedingungen, wie etwa die Wiedereinführung sinnvoller Resozialisierungsangebote, die Bereitstellung von Seelsorge für alle Insassen – auch in Untersuchungshaft – sowie eine gerechte Vergabe von Lockerungen und die Möglichkeit zur Telefonie im Haftraum. Sie betonen, dass derartige Maßnahmen nicht nur den Gefangenen zugutekämen, sondern auch zur Reduzierung der Rückfallquote und zu einer besseren gesellschaftlichen Reintegration beitragen würden.

Abschließend wird die Forderung nach einer grundsätzlichen Reform des Justizvollzugs erhoben, die über Sicherheitsaspekte hinausgeht und die Resozialisierung als zentrales Ziel in den Fokus rückt. Die Gefangenen der JVA Burg setzen sich für eine transparente und gerechte Strafvollzugsstruktur ein, die die Grundrechte der Insassen respektiert und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft fördert.

Gefangene der JVA Burg
Juli 2025

passiert am Juki 2025